BuchTipp #4

BuchTippGräflich vernachlässigte Geschichte // Was Sabine Bode in ihren Büchern als die Arbeit der Kriegskinder und -enkel, an und mit ihrer kollektiv-individuellen Geschichte so verdienstvoll beschreibt, lässt sich nun an dem Buch von Sacha Batthyány praktisch nachvollziehen. Der Untertitel »Ein Verbrechen im März 1945. Die Geschichte meiner Familie« weist das Thema seiner Aufgabe aus. Freilich exponiert, weil aus altem ungarischen Adel, aber wünschenswert beispielhaft, begibt sich der Großneffe von Margit Gräfin Batthyány, geb. Thyssen-Bornemisza, auf eine beklemmende Recherche nach einem Familiengeheimnis, auf das er durch die bestehende Namensgleichheit zu beteiligten historischen Personen in Presseberichten gestoßen wird, ausgelöst eben durch die Titel gewordene Frage des Schriftstellers Maxim Biller an ihn. Im März 1945 werden am Kreuzstadl in Rechnitz, in unmittelbarer Nähe des Schlosses der Gräfin, etwa 180 jüdische Zwangsarbeiter aus Ungarn in eine von ihnen zuvor selbst ausgehobene Grube geschossen. Ein Teil der Gesellschaft, die an diesem Abend auf dem Schloss ein rauschendes Fest feiert, war daran beteiligt. Auch die Gräfin, die Großtante des Autors? Es gibt Presse in diese Richtung …
Der Bericht über die Suche nach Antworten gelingt dem Autor auch deshalb so spannend, weil der Soziologe die persönlich und historisch widerständigen Recherchen mit Tagebuchpassagen seiner eigenen Großmutter und einer (jüdischen) Zeitzeugin kontrastieren kann. Beides wird gleichsam moderiert durch die geschichtsfaktischen Passagen seiner Forschungen. Was sich liest wie ein Krimi, führt den Autor ins alte Ungarn, in das Nachkriegsösterreich, in die Schweiz der Gegenwart und auch auf die Couch seiner eigenen Psychologie. Der Kriegsenkel Batthyány hat ein bewegendes Buch geschrieben, das auch mutig ist, denn die Analyse der eigenen Vergangenheit ist auch und gerade generationenübergreifend mit ihren Bezügen zum jeweils eigenen Heute so wichtig wie schwierig. Denn: Es hat etwas mit uns zu tun! [AR]

Sacha Batthyány / Und was hat das mit mir zu tun? / Kiepenheuer & Witsch / 254 Seiten / 19,99 Euro // Buch bestellen

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Datum: Montag, 8. August 2016 15:43
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