Briefwechsel: A.W.v. Schlegel – M. Löbel
»Meine liebe Marie« – »Werthester Herr Professor«
Der Briefwechsel zwischen August Wilhelm von Schlegel
und seiner Bonner Haushälterin Maria Löbel
Als August Wilhelm von Schlegel nach dem Tod Madame de Staëls 1818 als Professor an die vom Preußenkönig Friedrich Wilhelm III. neu gegründete Universität Bonn berufen wurde, benötigte er zuverlässiges Dienstpersonal für das herrschaftliche Bürgerhaus, das er auf der Sandkaule angemietet hatte. In der gebürtigen Bonnerin Maria Löbel fand der eitle Gelehrte eine zuverlässige Kraft, die trotz des unterschiedlichen Bildungsstands für ihn zur Vertrauten und Ratgeberin wurde. In seinen Briefen, die er ihr von seinen Reisen nach Paris, Berlin und London schrieb, zeigt sich der gegenüber Kollegen mitunter schroffe und spöttische Schlegel einfühlsam, fürsorglich und liebevoll. Er bespricht mit Maria nicht nur die Geschäfte des Alltags, sondern teilt mit ihr auch seine Sorgen und Nöte und berichtet ihr von seinen Arbeitsfortschritten. Selbst an den Geschicken ihrer Familie, die seit 1820 in Siegburg lebte und dort wichtige Aufgaben im Stadt- und Gemeindeleben erfüllte, nahm er regen Anteil. Marias Tod 1843 stürzte den greisen Gelehrten in tiefste Verzweiflung.
Der von Ralf Georg Czapla und Franca Victoria Schankweiler rekonstruierte und erstmals in einer historisch-kritischen Ausgabe zugänglich gemachte Briefwechsel zwischen August Wilhelm von Schlegel und Maria Löbel gewährt Einblick in den privaten Haushalt eines der prominentesten Gelehrten in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Ein ausführlicher Stellenkommentar macht den Leser mit der Alltagskultur einer längst vergangenen Zeit vertraut.
Textproben
August Wilhelm von Schlegel an Maria Löbel
Brüssel, den 25sten October 1820.Meine liebe Marie, ich bin vorgestern hier glücklich und gesund angekommen, wiewohl das Wetter meistens abscheulich gewesen ist. In Aachen habe ich mich anderthalb Tage aufhalten müssen, um meinen Wagen gründlich ausbessern zu lassen, er war gar nicht gehörig untersucht. Auch das Klappfenster war nicht in Ordnung, so daß ich den zweyten Tag durch den Regen, der hereinschlug, erschrecklich naß wurde. Christian hat endlich den Koffer verkehrt aufgeschraubt. Ich hätte es freilich bemerken sollen; es hätte den Wagen ganz zerschlagen können. Glücklicherweise hat es nichts geschadet. In Aachen habe ich ein paarmal das Mineralbad gebraucht, was mir sehr gut bekommen ist. In dieser großen und schönen Stadt habe ich mich zwei Tage ausgeruht, theils um allerley zu sehen, theils weil ich Leute zu besuchen hatte. Morgen Vormittag denke ich weiter zu reisen, ich habe nun noch etwas mehr als den halben Weg; aber es geht geschwinder vorwärts.
Ich hoffe, in Paris schon Briefe von Ihnen vorzufinden, oder bald nach meiner Ankunft zu bekommen. Vor allen Dingen wünsche ich zu erfahren, daß Sie recht wohl sind, und daß die Wunde am Bein recht bald geheilt ist. Wenn Sie sich dabei nur recht geschont haben. Lassen Sie sich in Ihrem täglichen Leben ja nichts abgehen: wenn Sie mit dem zurückgelassenen Gelde nicht ausreichen, so werde ich Sorge tragen, daß Ihnen noch welches ausgezahlt wird. Melden Sie mir alles recht umständlich, auch was in meinem Hause vorgegangen. Wiewohl ich es in Paris sehr gut haben werde, so kann ich es doch nirgends so gut haben als in Bonn: ich denke viel daran, und habe mich schon oft zurückgewünscht. Leben Sie recht wohl und gesund, meine liebe Marie, schreiben Sie mir fleißig, und behalten Sie mich in gutem Andenken.
Schlegel
Maria Löbel an August Wilhelm von Schlegel
Bonn, den 31. May 1827Werthtester Herr Professor,
ihren lieben Brief vom 22. May habe ich Richtig Erhalten, es freud mich unendlich, das Sie lieber Herr Professor noch Wohl und gesund sind, welches von allen Andern Dingen das beste ist, ich bin auch noch gesund, mit denn Arbeiten im Hauße geht es nun Auch vorwerths, wiewohl nicht ohne einige Mühe, die Handwerker zu treiben, wie immer die Gewohnheit war, besonders, wo es jetz bekant ist, das Sie länger Ausbleiben. Dieses kontte ich gleich an Wild und Emmel merken, gestern habe ich die Küche in Arbeit nehmen laßen, welches auch gewiß sehr nöthig war. Die Pferde sind Auch noch gesund, Sie werden fleißig mit Klie gefüttert, welches ihnen sehr Wohl bekömbt, man sieht Augenscheinlich, wie Sie dabei gewinnen und sehr Schönn Aussehn, besonders dem braunen. Wenn Sie lieber Herr Professor mir doch Einen gefallen tätten und kaufften in Berlin ein Maschinchen für feine Fältcher in Hemden Schurze zu machen, ich höre von jedem, das solche daselbst nicht viell kosten, und hir muß mann sehr viell dafür zahlen. Nun leben Sie Recht wohl, Werther Herr Professor, so wie es ihnen von ganzem Herzen wünschet.Marie Löben
Die Herausgeber
Ralf Georg Czapla studierte Germanistik, Latinistik und Komparatistik an der Universität Bonn und lehrt als Professor für Neuere deutsche und vergleichende Literaturwissenschaft an der Universität Heidelberg.
Franca Victoria Schankweiler studierte Germanistik, Politikwissenschaften und Mittlere und Neuere Geschichte an der Universität Heidelberg. Derzeit arbeitet sie an einer Dissertation über Goethes Schwager, den Frankfurter Syndikus Johann Georg Schlosser.
Bibliographie
»Meine liebe Marie« – »Werthester Professor«. Der Briefwechsel zwischen August Wilhelm von Schlegel und seiner Bonner Haushälterin Maria Löbel
Erstmals herausgegeben als historisch-kritische Ausgabe mit ausführlichem Stellenkommentar von Franca Victoria Schankweiler und Ralf Georg Czapla.
Mit zahlreichen Abbildungen, gebunden, Fadenheftung, 17×24 cm, ca. 240 Seiten, ISBN 978-3-939431-77-0, ca. 34,80 €
[erscheint: 3. Quartal 2012]
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